Der 4. Tag , Samstag 15.04.00

Besuch in Sarajevo, das Konzert


Samstagmorgen

Dago im Koma

Die Hälfte der Band und der Asshole-Crew liegt im Koma. Als ich etwa um zwei Uhr morgens die Stube betrat, musste ich zu meinem Erstaunen feststellen, dass nur Jogi und Ralf schlafenderweise da waren, der Rest war ausgeflogen. Die Jungs sind, wie ich später erfahre, mit Antje im lebenslustigen Sanitätsbereich versackt, haben fröhliche Lieder zu Dago´s Wandergitarre gesungen und Bier gleich kübelweise zu sich genommen. Jetzt liegen sie leichenblass im Bett und brauchen sicher Stunden, um wieder fit zu werden...
Antje, die für das Desaster verantwortlich ist, tummelt sich schon um acht Uhr putzmunter im Hangar und kümmert sich um den Aufbau der Lichtanlage - Training ist scheinbar alles! Torsten ist ebenfalls schon an der Bühne. Die Enttäuschung ist ihm etwas anzumerken, als er erfährt, dass die Baggage noch im Bett liegt , schließlich wollten wir mit ihm am Schlagzeug für den Gig „Jump" einproben. Der Stress der letzten Tage ist auch an ihm nicht spurlos vorbeigegangen, er hat dunkle Ringe unter den Augen, und sieht auch sonst abgespannt aus.

Tinitus ist schon vollzählig mit einem auffallenden Glänzen in den Augen vor der Bühne versammelt. Wir machen aus, dass wir nach dem Assholes-Soundcheck die Probe auf der Bühne machen werden - hoffentlich geht das gut... Nach und nach trudelt der Rest der Band ein, und nach einigen unvermeidbaren Testläufen des Drummonitors kann der Soundcheck beendet werden. Klingt erstaunlich gut auf der Bühne, wenn man bedenkt, dass wir uns auf aufgestabelten Europaletten, mitten in einem leeren Hubschrauberhangar befinden. Aber auf unseren Ralf ist eben (meist) Verlass.

Pano übt noch schnell

Der Soundcheck mit Tinnitus, der gleichzeitig die Probe darstellt, läuft vergleichsweise stressiger ab. Man kann sich nicht einigen, mit welchem Stück begonnen werden soll, irgendwo kracht es in der Monitorbox, mal funktioniert´s Kabel nicht, dann funktioniert das Effektgerät nicht, usw., usw. Marc,der Gitarrist, der direkt links neben mir steht, ist brüllend laut, aber hört sich nicht, der Drummer spielt alles einige Takte zu schnell, und hat - zu allem Überfluss - keine Sticks dabei, und muss sich Sticks vom Schmatzer leihen - wenn das mal gut geht... Endlich sind die Anfangsschwierigkeiten behoben, und wir können das Programm proben.: „Runaway Train" ( wollte ich mit den Assholes nie spielen !), „Tears in Heaven", „Ein guter Tag zum Sterben" von JBO, „Father and Son" mit einer Slapstickeinlage von Tom und Markos á la Erkan und Stefan, „Swing low sweet Chariot", „Breakfast at Tiffany´s" was mir persönlich am Besten gefällt, und „Far, far away" in einer ultra-speed-version. Marc hört sich immer noch schlecht, ist aber immer noch brüllend laut, und hat Probleme mit seiner Saitenstimmung. Ansonsten alles gar nicht mal so schlecht. Ausserdem kann ich auch hier meinem Ruf gerecht werden, dass ich „...in jeder Band, die nicht schnell genug das Weite sucht...", wie Schmatz zu sagen pflegt, mitspielen muss.
Während Pano fleissig übt und Sabine Augenpflege betreibt, unternimmt der "Rest" der crew zusammen mit Antje einen Ausflug nach Sarajevo.

Eindrücke aus Sarajevo:

Sarajevo - im Hintergrund die alte Stadtbibliothek

Sarajevos Fussgängerzone

Sarajevo - im Hintergrund die alte zerstörte Stadtbibliothek

Sarajevos Innenstadt

Häuser entlang der Hauptkampflinie

im Basar

zerstörte Häuser entlang der Hauptkampflinie

Sarajevos alter Basar

Gräberfeld

Sarajevos "Wahrzeichen"

Gräberfeld vor der Stadt

Sarajevos neues "Wahrzeichen", das ehemalige Pressezentrum, von dem nur noch der Aufzugsschacht steht.

Die restliche Assholes-Band samt Crew hat sich in der Zwischenzeit auf eine Rundfahrt durch Sarajewo begeben - dachte ich. Nachdem ich Saiten gewechselt, mein Zeug wieder verstaut habe und die Bühne verlasse, treffe ich Sabine, die offensichtlich die Abfahrt nach Sarajewo verpennt hat. So bleibt für uns beide die Gelegenheit, gemeinsam am Heli-Inn zu relaxen. Markos, der Musikverrückte kommt dazu und erzählt Schwänke aus seinem Leben und von seinem Traum, später eine Karriere als Musiker zu starten. Gegen halb eins gehen wir in die Kantine zu Mittagessen. Wieder schwirren Spatzen über unsere Köpfe hinweg, und wieder muss man bei jedem Schluck Saft erst mal das Glas genau inspizieren...

Irgendwann gegen Nachmittag erwache ich aus meinem Mittagsschlaf, weil die Jungs von ihrer Sarajewo-Seight-Seeing-Tour wiederkehren. Mit fortschreitender Zeit machen sich an diesem Nachmittag eine gewisse Spannung und Nervosität breit. Wir wissen nicht wirklich, wie unsere Show hier aufgefasst wird, oder ob die Auswahl unseres Programms hier auf Gegenliebe stößt. Es ist schon etwas anderes, irgendwo in Eifel und Hunsrück im Festzelt zu spielen, denn da können wir die Reaktionen des Publikums durch unsere Erfahrung einschätzen, aber hier stehen wir vor einer komplett neuen Situation. Oberst Annuss



Auch wissen wir nicht wirklich, wie die anwesenden, ranghohen Offiziere und Kommandant Annuß auf unsere Rock´n Roll-Anarcho-Show reagieren werden. Bei einem kurzen Gespräch vor dem morgendlichen Soundcheck hatten wir Oberst Annuß kennen gelernt. Auf den ersten Blick wirklich ein netter, älterer Herr, auch wenn die allgemeine Lagerstimmung eher gegen ihn gerichtet ist, wie wir aus Gesprächen mit Soldaten erfahren mussten. Dass er eine ganze Weile in Andernach gewohnt hat, lässt uns hoffen, dass er für uns vielleicht doch ein wenig Verständnis für uns hat...
wettkampf

Dann ist es soweit.
Wir nähern uns der Stätte der ausgelassenen Freuden größtenteils schon in Bühnenoutfit, da es an der Bühne an Möglichkeiten sich umzuziehen mangelt. Es ist noch nicht so viel los, ein Paar hundert Gestalten in grün tummeln sich vor dem Hangar, dessen Rolltore weit geöffnet sind und den Blick auf die Bühne freigeben. Vor dem Hangar laufen Spielchen zur Erheiterung, wie LKW ziehen ( einer allein mit Seil in den bloßen Händen ) oder Darbietungen der Hundestaffel. Alles unter ohrenbetäubendem Tekknogedudel und der Moderation eines sogenannten DJ, Soldat im Range eines Feldwebels, von dem zu späterer Stunde noch viel zu hören sein würde. Die Jungs von Tinnitus sind auch schon alle ganz nervös, nur bei Markos merkt man, dass er über soviel Bühnenerfahrung verfügt, dass er seine Nervosität im Zaum halten kann.

zum Konzert Teil 1

 

 

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