Nach einer viel zu kurzen Nacht wieder Frühstück
mit eingezogenem Kopf als Schutz vor tief fliegenden Spatzen... Danach packen
und Abschied nehmen.
Wir stehen am Rande der staubigen Straße des Feldlagers im Schatten eines
Hauses und warten auf die LKW´s, die uns zum Flugplatz bringen sollen.
Hier schießen wir auch unser
Erinnerungsfoto
mit allen, die an dieser denkwürdigen Aktion beteiligt haben. Über
holprige Straßen geht´s dann kurz darauf in Richtung Flugplatz. Zwischen
halb geschlossenen Augenlidern sehe ich im Gegenlicht verwahrloste Vorgärten
vor Häusern, von denen nur noch kümmerliche Reste vorhanden sind.
"
Kennt ihr die Story von dem Tunnel, der einigen der eingeschlossenen Leute
in der Stadt den Weg in die Freiheit bahnen sollte? Da haben ein paar Leute
zwei Jahre lang an einem Kilometer langen Tunnel gegraben, um am Ende festzustellen,
dass..." Der Rest von Torstens Erzählung geht leider im Lärm des
LKW Motors unter.
Am Flugplatz angekommen passieren wir eine Art provisorische Schleuse, in der
wir, wie in jedem Flughafen dieser Welt nach metallischen Gegenständen,
sprich Waffen, durchsucht werden, und dann in einem ganz und gar nicht luxuriösen
Wartebereich die nächste Stunde zu verbringen. Ein wenig Kurzweil in diese
öde Warteschleife bringen zwei, in olivgrün gekleidete Unteroffiziere.
Wie das Schicksal es will, fällt mein Blick auf deren beider Namensschilder.
Mich trifft der Schlag. Das, was ich da lese darf einfach nicht wahr sein, besser
als in jedem Monty Python Sketch. Der, von mir aus gesehen, linke Soldat heisst
"Schneller", der rechte "Schwanz". Was wie ein grober Scherz anmutet, bekommt
durch die Situation und die Erlebnisse der letzten Tage einen fast grotesken
Anstrich. Ich stosse Dago in die Rippen, um ihn aus seiner Lethargie zu reissen,
und lenke seinen Blick in die Richtung der beiden Unglücksseligen. Wir
beide stellen uns vor, wie die beiden gemeinsam zu Sonderkommandos zitiert werden:
"Schneller, Schwanz, beeilen sie sich gefälligst mit ihrer Mission.." und
ähnliche Sprüche, die wir, wie pubertierende Fünftklässler
uns aus dem Stegreif zuflüstern, lassen uns unter abnormen Lachsalven zucken,
die bei den Soldaten um uns herum verständnislose Blicke bewirken. Dago
nestelt nervös in seiner Tasche, um seine Pocketkamera in Position zu bringen.
Die beiden sind jedoch leider schon wieder verschwunden
Dann endlich können wir auf´s Rollfeld um uns in einer langen Schlange
an Wartenden im Gänsemarsch dem Airbus zu nähern. Nach quälenden
fünfzehn Minuten, in denen mir ein Typ mit drei silbernen Sternen auf der
Schulter, das Ohr mit Worthülsen abkauen muss, erreiche ich die Gangway.
Noch ein Blick auf das grandiose, alpine Panorama und ein letzter Gedanke an
die menschenmordenden Minen, die der der Landschaft einen bedrohlichen Unterton
verleihen, und dann ab, hinein in den wohligen Komfort des Fliegers!
Ich will meinen Fuss auf die erste Stufe der Treppe setzen, als ich deutlich
darauf aufmerksam gemacht werde, mich gefälligst in eine Kunststoffwanne,
angefüllt zu ca. einem Zentimeter mit einer undefinierbaren, grau-braunen
Flüssigkeit zu stellen, und mir nach dieser Prozedur über jeden Schuh
einen mülltütenblauen Überschuh aus Folie zu ziehen. Mir und
den anderen ist der Sinn dieser Aktion nicht ganz klar, wir tun es aber trotzdem
, es ist die entscheidende Auflage, um den Flieger betreten zu dürfen.
Irgendjemand behauptet, die Flüssigkeit in dem Bottich wäre irgendein
Desinfektionsmittel...
Ich sitze wieder! Habe sogar einen Fensterplatz. Handy aus, zurücklehnen
und an zu Hause denken. Wir starten. Kein Vergleich mit dem Start der Transall.
Ganz weich hebt der Airbus ab. Durch die kleine Fensteröffnung kann ich
sehen, wie wir eine Schleife fliegen und uns dann in Richtung Südosten
in Bewegung zu setzen. Obwohl wir hohen Besuch an Bord haben ( irgend so ein
hohes Tier im Generalsstand ) müssen wir zunächst nach Tirana, um
etwa 200 albanische Soldaten abzuholen, die in Deutschland ein Spezialtraining
absolvieren sollen. Ab und zu riskiere ich einen Blick aus dem Fenster und sehe
karge Berglandschaften unter mir, kaum Ortschaften, abgesehen von kleineren
Ansammlungen an Häusern.
Nach ca. eineinhalb Stunden landen wir in der albanischen Hauptstadt. Wer hier
einen Flughafen nach mitteleuropäischem Standart erwartet, muss eine herbe
Enttäuschung hinnehmen. Eine furchtbar kurze Start- und Landebahn, an deren
Ränder Schafe, Ziegen und Hühner ihr Dasein fristen. Durchs Fenster
kann ich eine größere Gruppe grün gekleideter Leute sehen. Rote
Fahnen mit dem schwarzen albanischen Doppeladler wehen über ihren Köpfen.
Viele grinsen den Flieger an, scheinbar aus Vorfreude, mal ihr Land für
kurze Zeit verlassen zu dürfen. Die Türen zur Gangway werden geöffnet.
Nichts passiert. Nach zehn Minuten hat noch immer keiner von den Albanern das
Flugzeug betreten. Neugierig frage ich eins der Besatzungsmitglieder, ob etwas
vorgefallen ist. Der Steward grinst und entgegnet lakonisch: "
Die haben keine
passende Gangway. Bis die eine gefunden haben, wenn sie denn eine finden werden,
können Stunden vergehen!" Schlagartig habe ich Sehnsucht nach einer
kalten Stirnkompresse: Das darf einfach nicht wahr sein! Die warten da seelenruhig
in der prallen Sonne und denken vielleicht, da würde irgend jemand auf
einen Knopf drücken und eine Treppe würde sich wie aus dem Nichts
aus dem Flugzeugrumpf entfalten...
Nach etwa einer halben Stunde hat man irgendwo eine Treppe organisiert,

und
die ersten Jungs in Tarnuniform betreten das Flugzeug. Zuerst schreitet ein
grimmig dreinblickender, älterer Albaner, ein Offizier mit vom Wetter gegerbtem
Gesicht, die Reihen ab. Als alles in Ordnung zu sein scheint, gibt er den anderen
ein Zeichen, dass sie ebenfalls rein kommen, und sich einen Platz aussuchen
können. Ab diesem Zeitpunkt ist es vorbei mit der Ruhe und Beschaulichkeit.
Wie ein Schwarm grüner Waldameisen mit schwarzen Haaren und braunen Gesichtern
breiten sie sich über die noch freien Sitzreihen aus. Ein Schnattern aus
zweihundert Mündern, in einer merkwürdig klingenden Sprache, die ein
wenig an Italienisch ( oder vielleicht eher sogar Latein ) erinnert, bildet
von diesem Augenblick an die Geräuschkulisse. Dazu kommt, dass sich das
Gros dieser Jungs einfach nicht entscheiden kann, wo und neben wem es sitzen
möchte. Ständig steht irgend jemand auf, tauscht mit einem anderen
den Sitzplatz, um dann zwei Sekunden später wieder aufzustehen, um wiederum
mit dem Nächsten den Platz zu tauschen, und so weiter... Nur der Typ, der
es sich neben Jogi gemütlich gemacht hat, scheint kein Bedürfnis zu
haben, seinen Sitzplatz ein zu tauschen. Er unterhält sich statt dessen
mit ihm in relativ gutem Deutsch über Jogis Handy und wie teuer es war,
und was man damit alles so anstellen kann...
Landung. Grandios von unserem Piloten gemeistert. Am Zollschalter vor mir gibt´s
Ärger. Ein Beamter aus Köln-Poll hat nun doch festgestellt, dass Ralfs
Pass nicht mehr ( schon lange nicht mehr ) gültig ist. Ihm bleibt aber
nicht viel übrig, als ihn ins Land zu lassen. Alles andere hätte nur
Ärger mit endlosem Papierkram für ihn und eine ungemütliche Nacht
in einer Zelle für Ralf bedeutet. Mehr Mühe gibt er sich dafür
mit Durchsuchen der Reisetaschen nach Zollgut, sprich Zigaretten und sonstigen
Genussmitteln. Nicht selten wird er sogar fündig, was aber für mich
nur zusätzliche Wartezeit bedeutet. Endlich kann ich dann nach einem kurzen
Check durch die Kontrolle. Wir werden schon erwartet.