Der 4. Tag , Samstag 15.04.00

Das Konzert Teil 2 - AfterShow


Wir stehen im sogenannten Backstagebereich und wollen uns eigentlich ein paar trockene Klamotten anziehen und die Kehlen mit ein wenig kaltem Bier erfrischen. Vor der Bühne geht immer noch der absolute Punk ab. Von Müdigkeit keine Spur. Die Zugaberufe wollen einfach nicht verstummen. Ratlosigkeit macht sich breit. Alle schauen sich gegenseitig an.

KonzertpublikumOberst Annuß fasst sich als erster ein Herz und geht auf die Bühne. Mittlerweile ist es schon jenseits von Mitternacht, und normalerweise wäre das Konzert bereits seit mindestens einer Stunde beendet. Ich öffne mir eine Flasche Heineken, spüle den ersten Schluck Bier herunter - ein wahre Wohltat - und höre, wie sich zum allgemeinen Zugabejubel wieder die ersten Buhrufe ertönen - eine Hommage an den Oberst. Irgendwie will er die Leute beruhigen, aber irgendwie will sich der Haufen vor der Bühne einfach nicht auflösen. Die grünen Jungs, egal ob Österreicher, Spanier oder Deutsche, alle stehen sie da, schreiend, pfeifend, schwitzend, die Arme oben, ohne jegliche Kleiderordnung, und sind wie fest gewachsen, wollen einfach nicht "nach Hause".
Der Oberst fragt fast im Flüsterton : "Wollt ihr den DJ hören?" Der letzte Teil seiner Frage geht im allgemeinen Tumult verloren. Nein, ehrlich, den DJ will in diesem Augenblick nicht wirklich irgend jemand da draußen hören. Mir ist klar, dass die unausweichliche Konsequenz daraus nicht anders aussehen wird, als dass wir das mit den trockenen Klamotten und dem Bier vergessen können - der Jubel, der von vorne zu uns dringt beweist es. Ich höre nur noch "...Assholes?", höre das Geschrei, und sehe den ungläubigen Blick der anderen. Fast mechanisch setzen wir uns in Richtung Bühne in Bewegung.

Kai greift sich da Mikro. "Euer Oberst Annuß hat es möglich gemacht, dass hier auf einem Kontingentfest erstmalig eine Band spielen kann!" Zum allerersten Mal an diesem Abend ertönt lauter Jubel bei Erwähnung des Obersten Namen. Ich wage zu behaupten, dass er sich das nie jemals in seinen kühnsten Träumen hätte vorstellen können. Bei so viel Sympathiebekundung überlässt uns die Bühne.

Wie soll es weiter gehen? Wir haben unser Programm gespielt, was kommt jetzt?  Nach ein paar unendlich langen Sekunden haben wir uns entschieden. "Wollt ihr Rock´n Roll? Grüne Hölle, wollt ihr Metallica?" Kais Stimme überschlägt sich fast. Bei "Whisky in the Jar" kocht esvor uns noch mal hoch. Die mentalen und körperlichen Kräfte schwinden zwar allmählich, konzert 6reichen aber noch für kleine Wortspielereien aus. "Jens, Du hast vergessen zu erwähnen, dass wir uns heute abend aus aktuellem Anlass umbenannt haben. Wir heißen nicht mehr Assholes, sondern (AS)S - FOR - Holes." Den Witz hat die Mehrheit vestanden, denn Jubel mischt sich über das Intro zu "Rebel Yell". Und da wir alle so gut drauf sind, spendieren Jens und Kai im Mitmachteil am Ende des Songs den genialen "Schwulen Jakob"-Kanon, den alle mitsingen ( versuchen ). Einige böse Zungen behaupteten nach dem Konzert, dass unser Oberst mit Vornamen Jakob hieße... Da dies aber nur ein unbestätigtes Gerücht ist, und der Oberst uns auch nach dem Gig freundlich gesonnen war, hatten wir wohl noch ein mal Glück gehabt. Bei "Pretty Fly" lässt Sabine wieder die Sau raus, löst ihr wallendes Haar und spielt Headbanger. Das folgende "NDW - Medley" lässt mich meine schwindenden Kräfte spüren. Vier Stunden Non Stop - Power fordern ihren Tribut. Die Hände sind vom Schweiss so ziemlich aufgeweicht. Ich brauche viel mehr Kraft, um einen für mich hörbaren Ton aus dem Bass zu prügeln, dazu kommt, dass die Ohren ( trotz Gehörschutz ) mittlerweile dicht sind. Die linke Hand schmerzt, denn der Yamaha-Fünfsaiter hat einen Hals wie ein Schiffsmast. Die Blase am rechten Daumen ist mittlerweile auch aufgeplatzt. Daher bin ich ganz froh, dass der nächste Song "Angels" ist, übrigens die einzige Ballade im Programm.
Vor der Bühne macht sich eine kollektive Rührung breit. Abschiedsstimmung, wo das Auge nur hinschaut. Wir schütteln Hände, Oberst Klaus S. macht von der Bühne aus Abschiedsfotos fürs Familienalbum. Der Abend aber wäre kein gelungener gewesen, ohne dass wir noch einmal die Jungs von Tinnitus auf die Bühne bitten würden, um mit ihnen gemeinsam "Far Far Away" zu singen - dieses Mal übrigens nicht in der Hardcore -, sondern in der gemässigten Sladefassung. Jeder singt eine Strophe, alle singen gemeinsam den Schlussrefrain, die rührenden Momente sind nicht mehr in Worte zu fassen. Alles wird gut.

After Show 1 after show 3

Ende gut, alles gut ? Das gilt leider nur mit Einschränkungen.
Unser lieber Feldwebel-DJ, der uns großspurig auf den Gaststatus hingewiesen hatte und Verhaltensregeln kundtat, hatte nichts besseres zu tun, als gegen Ende des Konzertes in den Generator der Datenverarbeitungszentrale samt Internetanschluss seine dringende Notdurft zu verrichten. Das machte die Heeresflieger, und nicht nur die, ziemlich böse. Wer lässt sich schon gerne von einem Besoffenen ins Gehirn pinkeln? Thorsten G. meinte, dass diese Schandtat ihn seine gesamte Auslands- und Gefahrenzulage kosten würde, von dem Disziplinarverfahren gegen ihn mal abgesehen. ( Man erinnere sich, was eine Harmlosigkeit wie "Hund streicheln" einen Soldaten im Lager Rajlovac kostet ).


Während die Anlage und das Licht von extra dafür abkommandierten Bundeswehrsoldaten abgebaut werden, haben wir Zeit,after show 2 uns mit den Leuten etwas zu unterhalten. Es sind viele aus der Eifel da, die uns zum Teil schon gesehen und gehört haben, und die froh sind, ein Stück Heimat spendiert zu bekommen. Unsere Merchandisingwaren, wie T-Shirts, Kappen und CD´s sind im Handumdrehen ausverkauft, zu dumm, dass wir so wenig davon im Gepäck haben. Mir wird sogar mein eigenes Assholes T-Shirt fast aus den Händen gerissen. Die lebensfrohen Mädels aus dem San-Bereich sind samt ihrer Piercings verschwunden, ausser einer, und die bekommt nur noch verständnisloses Blubbern und kein richtiges Wort mehr heraus. Markos und Tom greifen sie sich, ich denke "Hoppla, was machen die mit der Armen?" und lassen sie kurzerhand auf einem LKW in Richtung Unterkunft verschwinden, um ihr ebenfalls einen "Diszi" wegen abnormer Trunkenheit zu ersparen.

after show 4A propos "abnorme Trunkenheit". Der nächste Morgen ist für mich der absolute Hammer. Mein Kopf fühlt sich an, als hätte ich eine halbe Palette Hansa-Pils getrunken... Vielleicht habe ich das auch getan... Bei der "After Show-Party" ging´s drunter und drüber, wir holten sogar den armen Tom aus dem Bett, damit er mit zwanzig Leuten in einem unserer beiden kleinen Unterkünfte mitfeiert. Da sass er nun, in Shorts, halb verschlafen und fröstelnd auf dem Etagenbett und musste sich dem ausgelassenen Treiben um ihn herum ergeben.

 

 

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