Der 1. Tag , Mittwoch 12.04.00

Anreise und Ankunft in Sarajewo


Das Gerappel geht mir allmählich auf die Nerven.
Gerade für meine volle Blase bedeutet die ständige Vibration eine wahre Tortur. Wir fliegen alle zum ersten Mal in einer Transall. Wer noch nicht mit diesem Flieger geflogen ist, hat wirklich was verpasst.Pano in der Transall Maschine
Die Sitze bestehen aus grünem, gespannten Segeltuch. Sie sind in Form langer Bänke in der Mitte des Rumpfs, sowie entlang der Bordwände angeordnet. Wer im vorderen Teil sitzt, kommt sich vor wie in der Sauna, wer hinten sitzt, erfriert. In der Mitte kann man´s einigermassen aushalten, dafür reissen einem die Triebwerkgeräusche den Schädel entzwei.

Vor allem die Luftlöcher haben´s uns angetan. Wie eine überdimensionale Achterbahn - Gondel jagt der Flieger mal hoch, mal sackt er in ein Luftloch - wir scheinen uns wie eine Heuschrecke springend gen Sarajewo zu bewegen.

Auch diese Art der Fortbewegung ist Gift für meine Blase. Also mach ich mich mal im Passagierinfo schlau, wo man seine Notdurft verrichten kann. Aha, im Heck links ist irgendwo ein Klo. Also, nichts wie hin, vorbei am riesigen, kanarienvogelgelben Iglu mit unserem Equipment, nach links zum heiß ersehnten Ort.
Was ich da vorfinde, spottet jeder Beschreibung. Ein grüner Vorhang verdeckt nur notdürftig so ´ne Art provisorisches Pissoir, das in die Bordwand eingelassen ist. Ein massiver Metalldeckel versperrt die Pissöffnung und gibt sie trotz intensivsten Rüttelns nicht frei. Kann man nichts machen, daher Zähne zusammenbeissen und ab auf den Segeltuchsitz, Luftlöcher zählen... Ralf und Olli


Endlich, nach ca. anderthalb Stunden - ein Ruf ertönt, Sarajewo ist in Sicht. Freude kommt auf, vorbei das Rappeln, das die Blase quält - weit gefehlt, die Landung auf der Piste ähnelt einer Bruchlandung und ist die Meisterprüfung für Pilot und Blase. Der Flieger kommt endlich zum Stehen, und mehrere Soldaten betreten den Flieger. Ein paar Deutsche und ein mürrischer Franzose nehmen uns in Empfang und eskortieren uns zur Passkontrolle. Gott sei es gedankt, der Franzose im Kontrollhäuschen hat entweder seine Brille vergessen, oder seinen guten Tag, denn ihm fällt nicht auf, dass Ralf´s Pass abgelaufen ist.
Da steht er auch schon, unser Torsten! Torsten G., das ist der Mann, dem wir diesen Trip zu verdanken haben. Lässig steht er da, im Tarnanzug, Sonnenbrille, Pistole und Handy im Halfter, lächelt nett, und heißt uns willkommen... Ich muss zuerst auf´s Klo.

Torsten

Blick auf Sarajevo
Erleichtert werfe ich, nachdem ich den provisorischen, aber funktionstüchtigen Klowagen verlassen habe, einen Blick auf das grandiose Panorama. Sarajevo liegt in einem Talkessel, umgeben von fast zweitausend Meter hohen Bergen.... alles vermint da oben", meint Torsten G. Na ja, sieht wenigstens von hier unten nett aus.
Wir steigen in den für uns bereit gestellten Bundeswehrbus, und verlassen das Flughafengelände. Was wir hier zu sehen bekommen ist gar nicht mehr so romantisch...Sarajevo - erster Eindruck

Gleich neben dem Flugplatz befinden sich eine ganze Anzahl Hochhäuser, oder besser, die Reste von dem, was einmal Hochhäuser gewesen sind. Auch nach mehr als vier Jahren nach der Belagerung von Sarajevo hat sich fast nichts getan, vieles liegt hier noch in Schutt und Asche - könnte man meinen. Tatsache ist, dass, dafür dass hier ein monatelanger Dauerbeschuss stattgefunden hat, noch erstaunlich viel stehen geblieben ist. Ausserdem darf man nicht vergessen, dass wir uns relativ weit in der Nähe Südeuropas befinden, und da haben bekannterweise die Leute viel mehr Zeit... Alles ist staubig, macht für uns Mitteleuropäer einen ziemlich elenden Eindruck. Das elende Gefühl wird durch ein in seiner Größe und Aufmachung grotesk wirkendes DJ Bobo - Plakat eher verstärkt, als abgemildert. „..übrigens, DJ Bobo ist ´ne Woche vor euch auch hier in Sarajewo aufgetreten " , meint Thorsten G. „ War ´ne Benefiz -veranstaltung! " - Na Prima...!

Feldlager Rajlovac Nach kurzer Fahrt erreichen wir das „Feldlager Rajlovac". Es handelt sich dabei um ein ziemlich großes Areal einer Kaserne der ehemaligen jugoslawischen Armee.

Willkommen in Rajlovac

„ Also Jungs, nicht dass ihr meint, hier wäre alles im grünen Bereich. Ihr dürft auf keinen Fall über jedwede Grünfläche rennen, geschweige denn auf die Bereiche laufen, die mit gelbem Trassier - Band markiert sind. Das Gelände ist nämlich mit größter Wahrscheinlichkeit vermint!" Torsten G.´s klärende Worte bewirken einen leichten Kloß im Hals. Erst vor ein paar Tagen wären drei spielende Kinder von einer Landmine zerrissen worden, fügt er mahnend hinzu.
Es gibt zur Begrüßung Kaffee und Kuchen. Schmeckt nicht schlecht, auch wenn im Mannschaftsheim ein traniger Geruch von Pommes - geschwängertem Bratfett liegt. Begrüssungim FeldlagerRalf stopft sich gleich körbeweise Gebäck in sich hinein - hat ja auch erst vor zwei Stunden das letze Mal feste Nahrung zu sich genommen... Wir werden vom Boss des Mannschaftsheims begrüßt, und Torsten gibt uns noch einige weitere Verhaltensmaßregeln für das Leben im Lager mit. Für die Soldaten gelten im Lager ganz eigene Gesetze. Ein paar Beispiele: Hund streicheln - 500,- DM Strafe Mit dem LKW oder Bus schneller als 15 ! Stundenkilometer fahren - je zu schnell gefahrenen Kilometer - 130,- DM Strafe. Das Fatale dabei: die Tachometer - Anzeige beginnt erst bei zwanzig km/h. Ein Tagessatz der steuerfreien Auslands - Zulage ( 130,- ) ist somit ganz schnell weg, wenn man nicht aufpasst. Auch nicht erlaubt: Kippen weg werfen, mit freiem Oberkörper rumrennen, Bier vor 18°° trinken...
Danach erst mal unser Gepäck abholen. Auf dem LKW steht ein Obergefreiter, der uns unsere Taschen an reicht und dessen Name mir, für einen Bundeswehr - Soldaten, sehr ungewöhnlich vorkommt. Daroglu - ist das nicht ein türkischer Name? Was macht der denn hier?

Man führt uns zu unserer Unterkunft. Nicht gerade luxuriös! Wir sind in einem riesigen Gebäude - Block untergebracht. Auf dem Weg in unsere zwei Stuben im 1. Obergeschoss müssen wir eine albtraumhaft grosse, kahle „Empfangshalle" durchqueren, an derer beider Stirnseiten Treppen in die höheren Etagen führen.Unterkunft Die beiden Stuben sehen eigentlich nicht viel andersartiger aus, als die, welche jeder Wehrpflichtige auch von zuhause her kennt. Etagenbetten mit Schaumstoff matratzen, nackte Wände, Linoleumfussboden. Einzige Unterschiede: keine Spinde und die Zimmerecken voller Staub. Ausserdem: eine! funktionstüchtige Toilette für alle Soldaten auf dieser Etage ( ca. 50 Mann, uns nicht mitgerechnet ) und warmes Wasser zum Duschen nur bis Zehn Uhr morgens - für die Warmduscher unter uns der glatte Overkill. In der „Raucher"- Stube sind Jens, Olli, Markus & Peter, unsere beiden Techniker, und Schmatz, der einzige Nichtraucher untergebracht. Zu allem Überfluss lassen sich die Fenster auch nicht öffnen... Im zweiten Raum liegen Dago, Kai, Jogi, Ralf, Lemmy und ich.
Sabine darf im Sanitätsbereich schlafen, da dort die einzigen Frauen des Lagers - ausser den einheimischen zivilen Bediensteten - untergebracht sind. Sie bekommt sogar Feldwebel Antje zur Seite. Feldwebel Antje ist eine anfangs etwas muffig wirkende Person mit burschikosem Touch. Man könnte fast sagen, sie wirkt ein bißchen männlich - vielleicht ein antrainiertes Verhalten, um sich die ganzen Typen im Lager vom Hals zu halten? Egal, sie ist zumindest abkommandiert, uns während unseres Aufenthalts zu begleiten. Jamaika Bar


Es ist mittlerweile früher abend. In unserem Wohnblock befindet sich die Jamaika Bar, beliebter Treff zum abendlichen Kasernen-Chill out. Der Gipfel der Freuden, ist neben den bequemen Korbsesseln und deutschem TV, das dunkle Hefeweizenbier aus Dosen für sage und schreibe ´ne Mark fuffzig.
Leider kann ich dem exzessiven Genuss dieses Kaltgetränkes nicht ausreichend frönen, denn schon heisst es - ab in den Bus, zu abend essen mit wichtigen Persönlichkeiten des „Veranstaltungskommitees". Man spricht deutsch in diesem Lokal, und man könnte sich, wenn ich es nicht besser wüsste, fast wie in Deutschland fühlen, während man seine Cevapcici bestellt. Es gibt kaltes Flaschenbier der ortsüblichen Marke. Zwischen Vorspeisenteller und fleischigem Hauptgericht lerne ich meinen Nebenmann, Oberst Klaus ... näher kennen. Ganz „Berliner Schnauze" erzählt er frei über seinen, na ja, Frauengeschmack , und die tollen Bosnierinnen, und dass er bald Geburtstag habe, und bald nach Hause flöge, und, und, und... Schmatz und der Rest schauten schon im Bus ganz amüsiert, als er sich neben mich setzte und zu erzählen anfing... Wir sind schnell beim „Du". Der Abend gestaltet sich recht ausgelassen, und Bier beseelt falle ich auf die Schaumstoff matratze.

 

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